‘Αρθρα

Marias Stadt im Höllenfeuer

 

Mariapol vertraut auf die Gottesmutter und seine Heiligen

 

Von Heinz Gstrein

Mariupol/Phanar. Von der Hafenstadt Mariupol sind Ende März nur noch rauchende Trümmer übrig. Die russischen Angreifer haben sogar eine Gebärklinik und das Stadttheater bombardiert, in dem 1300 Zivilisten Zuflucht gesucht hatten: Hunderte sind in seinen Kellern begraben. Nichts kann aber das reiche ökumenische Erbe der Stadt auslöschen und die Fürsprache ihres hl. Bischofs Ignatios auch in der heutigen Not unwirksam machen.

Die heutige Ruinenstadt Mariupol, ukrainisch Mariupil und griechisch Marioupolis, wurde erst 1780 gegründet. Sie führt jedoch die viel ältere Tradition der noch geeinten Kirche von Ost und West sowie später von Orthodoxie und Katholizismus weiter. Die Halbinsel Krim und die Küsten des Asowschen Meeres bevölkerten im Altertum zahlreiche griechische Handelskolonien, die später ins Römerreich einbezogen wurden. Nach der Legende war Papst Clemens I. (um 50 bis etwa 100 n.Chr.) dorthin verbannt. Jedenfalls fanden die späteren byzantinischen Slawenapostel Kyrill und Method 860/61 am Schwarzen Meer seine Gebeine und machten sie bei ihrer Romreise 867 Papst Hadrian II. als Reliquie zum Geschenk. Dieses Präsent aus dem Raum des späteren Mariupol trug zur Heilung der Wunde bei, die damals das erste große, „photianische“ Schisma der christlichen Einheit zufügte.

Zuvor hatte sich in der Völkerwanderung ein Teil der Ostgoten ums Asowsche Meer niedergelassen. Ihre Sprache starb erst im 18. Jahrhundert aus, als Mariupol entstand. Jedenfalls wollte Hitler im Zweiten Weltkrieg um die Krim einen neuen „Gotengau“ mit Mariupol als einem seiner Zentren schaffen und durch ausgesiedelte Südtiroler bevölkern.

Schon 404 hatten sich die Schwarzmeer-Goten aus ihren zum Teil bis heute erhaltenen Burgen von Konstantinopel einen Bischof erbeten. So entstand eine „Metropolis Gotthia“, die langen Bestand haben sollte und erst 1781 nach Mariupol transferiert wurde. Politisch überlebte ein Teil von ihr, das Fürstentum Theodoro, sogar das byzantinische Kaiserreich nach dem Fall von Konstantinopel bis 1475.

Bei der Aufteilung des byzantinischen Reichs nach dem IV. Kreuzzug fielen seine „gotischen“ Besitzungen an die Genuesen. Die Metropoliten von Gothia fügten darauf ihrem Titel noch das genuesische Handelszentrum Kaffa (Feodossia) hinzu. Genua errichtete zwar eine römisch-katholische Kirchenprovinz „Vosporo“, verhielt sich aber zu den Orthodoxen toleranter als die Venezianer auf Kreta und anderen griechischen Inseln, die dort keine orthodoxen Bischöfe, sondern nur Priester gestatteten. In den genuesischen Besitzungen tat sich ökumenisch besonders der 1332 zum Erzbischof von Vosporo bestellte Dominikaner Franz von Camerino hervor. Er gestattete die Niederlassung von Griechisch-Orthodoxen in wichtigen Städten, was ihnen bis dahin verwehrt war.

Vom späten 15. bis Ende des 18. Jahrhunderts beherrschte die vorher byzantinischen bzw. genuesischen Gebiete rund ums Asowsche Meer das „Chanat der Krim“ als osmanischer Vasallenstaat. Diese „Krim-Tataren“ waren religiös recht entgegenkommend, vor allem was die orthodoxen Griechen betraf.

Erst im Vorfeld der russischen Annexion des Chanats von 1783/84 begann sich die Lage der Schwarzmeergriechen zu verschlechtern. In der Tatarenhauptstadt Bachtschissarai (Gartenpalast) wurden sie zunehmend als orthodoxe Glaubensbrüder der Russen betrachtet und behandelt. Der Ökumenische Patriarch Theodosios II. entschloss sich daher, einen seiner besten Leute als Bischof von Gotthia zu entsenden: Den Athos-Mönch Ignatios Kozadinos. Geboren 1716 auf der kleinen griechischen Insel Kythnos trat er schon in jungen Jahren ins Kloster Vatopedi ein, kam dann nach Konstantinopel und bewährte sich als ebenso fähiger wie integrer Mitabeiter in der Kurie des Phanars.

Im Krim-Chanat stärkte er dann die Glaubenstreue der orthodoxen Griechen, versuchte ihnen Mut und Zuversicht zu geben. Ihre Bedrängnis wurde aber desto größer, je näher sich die Truppen von Zarin Katharina II. dem Machtbereich des Chans näherten. Metropolit Ignatios entschloss sich daher, seine etwa 15 000 Gläubigen dessen Herrschaft zu entziehen und geschlossen an die damals weitgehend unbewohnte Nordküste des Asowschen Meeres „umzusiedeln“.

Am 23. April 1777 verkündete er diesen Plan, worauf ihn seine Gläubigen als „neuen Moses“ feierten, der sein Volk aus der Knechtschaft herausführt. Insgesamt sollten 20 griechische Dörfer und in ihrer Mitte am Meer ein städtisches Zentrum entstehen. Sein Vorschlag, diesen Ort dem Schutz Marias anzuvertrauen und daher „Marienstadt“ (Mariupol) zu nennen, wurde begeistert aufgenommen. Zum zweiten Patron erwählte Ignatios den hl. Georg, dessen wundertätige Ikone des 12. Jahrhunderts er aus Bachtschissarai übertrug.

Im Frühjahr 1780 wurde mit dem Bau der Stadt Mariupol angefangen. Schon 1783 begann ihre Industrialisierung mit einer Ziegelei, der bald zwei weitere folgten. Dazu kamen Gießereien und andere Hüttenwerke, die schon damals die Grundlage für die spätere Entwicklung des „Donbass“ zur Schmiede des Zarenreiches und der Sowjetunion legten. Wohltätig wirkte sich auch eine Regionalautonomie aus, die Mariupol und Umgebung gleich 1780 bei Eingliederung in Russland gewährt wurde. Weniger erfreulich war schon zwei Jahre nach dem Tod von Metropolit Ignatios 1786 die Vereinnahmung seines Sprengels durch die Russische Orthodoxe Kirche, was aber vom Ökumenischen Patriarchat niemals anerkannt wurde.

Noch einmal schien eine politische und kirchliche Vorherrschaft der Griechen um Mariupol verwirklicht zu werden: Ab Dezember 1918 nahm die Erste Griechische Armee am gegen die vordringenden Bolschewiken gerichteten Ukrainefeldzug der Franzosen teil. Das Unternehmen musste schon im März 1919 erfolglos abgebrochen werden. Die Griechen von Mariupol ließen sich nicht für die „imperialistische“ Invasion begeistern, sondern sympathisierten mit der neuen sowjetischen Ordnung. Dasselbe taten sie dann im Zweiten Weltkrieg während der deutschen Besatzung von 1941 bis 1943. Die rege Partisanentätigkeit um Mariupol wurde hauptsächlich von ihnen getragen. Auch in den dem Krieg folgenden 45 Jahren bis zur Wende blieben die meisten Schwarzmeergriechen brave Sowjetbürger.

 

Kirchlich wurde Mariupol in der Nachkriegszeit aus der Liste der Bistümer des Moskauer Patriarchats gestrichen, verlor sogar seinen Namen und gehörte bis 1995 zur Metropolie „Donezk und Slawjansk“. Erst dann wurde es wenigstens unter seinem richtigen Namen angeführt. Kein Wunder, dass das nach der Wende von Moskau gelöste „Kiewer Patriarchat“ den Russlandgriechen Epiphanios Dimitriou zum Bischof in Mariupol erkürte. Sein heutiger Nachfolger ist ebenfalls ein Grieche, Metropolit Chrysostomos Kalis. Dimitriou wechselte nach Errichtung der „Autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine“ durch den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zu dieser über und wurde 2019 neu zum Bischof von Olvia für alle Griechen der Ukraine mit Sitz in Mariupol ernannt.

So waren dort bei Beginn der russischen Feindseligkeiten Ende Februar gleich drei orthodoxe Bischöfe zuständig: Von der moskautreuen Kirche, dem „Nationalpatriarchat Kiew“ und der Konstantinopler „Autokephalen Kirche“. Alle drei konnten aber die Zerstörung wichtiger religiöser Zeugnisse in der Stadt nicht verhindern.

So ist die bis zu diesem Krieg in Mariupol verehrte „Georgsikone von Bachtschissaraj“ inzwischen verschollen. Ebenso die Reliquien des Heiligen Ignatios, von denen wenigstens ein Teil 2016 auf seine Heimatinsel Kythnos in Griechenland gerettet wurde. Zersplittert das Denkmal von Metropolit Ignatios vor dem Griechischen Kulturinstitut, aber auch jenes an der Straße nach Berdjansk, das 2018 zum 20. Jahrestag seiner Heiligsprechung errichtet wurde. Nur drüben in Donezk hebt noch aus dem 140jährigen Eisenhüttenwerk Metallurg die 2004 dem Heiligen geweihte Ignatios-Kirche ihre vergoldeten Kuppeln wie ein Gebet um Frieden zum Himmel.

 

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