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Am Neubau des Osmanenreichs

 

Erdogans imperiale und geschäftliche Interessen

Von Heinz Gstrein

Den 98. Jahrestag des Friedens in Lausanne vom 24. Juli 1923 hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan Anfang der Woche zum Anlass genommen, um seine Entschlossenheit für weitere Wiederherstellung „osmanischer Größe“ zu betonen. Wie Lausanne eine Revision des Diktatfriedens in Sèvres von 1920 und die Erneuerung der türkischen Herrschaft über Ost-Thrakien und das ganze Kleinasien gebracht habe, wolle er die jetzige Präsenz der Türkei von Syrien bis Libyen und im gesamten östlichen Mittelmeer weiter ausbauen. Lausanne sei kein Schlussstrich unter die Grenzen der modernen Türkei, sondern Wendepunkt vom Tiefstand am Ende des Ersten Weltkriegs in Richtung einer neuen, „Goldenen Zukunft“ des Türkentums.

Schritte dazu hat Erdogan eben letzte Woche auf Zypern gesetzt, wo er die 1974 etablierte türkische Besatzungszone zum eigenen, völlig selbständigen Staat erklärte und um Teile der entmilitarisierten Geisterstadt Famagusta erweiterte. Einen „unabhängigen“ türkisch geführten Pufferstaat hatte es schon einmal 1938/39 zum damals französischen Syrien gegeben. Er wurde dann aber bald an die Türkei angeschlossen. Ein solcher „Anschluss“ dürfte auch einem eigenständigen Nordzypern drohen, weshalb die zyperngriechische Führung in Nikosia jedes Weiterverhandeln über eine Wiedervereinigung der Inselrepublik nach dem Zwei-Staaten-Prinzip ablehnt. Alle Hoffnungen und Bemühungen, die einzige noch bestehende Zonengrenze Europas aus der Welt zu schaffen und die letzte Mauer des Globus quer durch Zyperns zweigeteilte Hauptstadt Nikosia abzutragen, scheinen damit langfristig zum Scheitern verurteilt.

Die Öffnung von Famagusta Richtung Türkisch-Zypern, die Erdogan bei dessen jüngstem Besuch als „große Freude“ verkündete, betrifft mit einem früheren, schon im Oktober 2020 frei gegebenen Streifen nur 5% der ehemaligen Verkehrs- und Touristenmetropole. Sie war im August 1974 bei der zweiten Phase von Ankaras Invasion besetzt worden, weil es in der Altstadt verschanzte Zyperntürken zu befreien galt. Dann mussten sich die Türken aber auf internationalen Druck aus der von ihnen jetzt „Gazimaguscha“ (Sieges-Maguscha) genannten Stadt zurückziehen. Das jetzt für eine Revitalisierung vorgesehene Mini-Viertel ist aber mit der ehemaligen Hauptgeschäftsstraße Odos Dimokratias, dem Hafen und einem prächtigen Sandstrand das Gustostück und wirtschaftlich Interessanteste am ganzen Famagusta. Erdogans bekannt geschäftstüchtige Familie dürfte sich dort von Wiederaufbau, Handel und Wandel saftige Profite erhoffen.

Der UN-Sicherheitsrat hat jedenfalls schon diese expansive Zypernpolitik der Türkei verurteilt. Sogar mit der Stimme von Russland, das sonst Vladimir Putins autoritärem Kumpan und NATO-Abweichler Erdogan in Syrien und anderswo in der Regel die Stange hält. Das allein wird aber Erdogan kaum vom Weiterfolgen seiner neo-osmanischen Zielsetzungen abschrecken.

Ebenso wenig wie die Verdikte der UNESCO über die Re-Moscheeisierungen in Istanbul die Hagia Sophia und das Chora-Kloster mit seinen einmaligen Mosaiken und Fresken wieder zu Museen für Menschen jedes Glaubens machen werden. Erdogans Leitschnur bleibt die Rückkehr zum Status quo unter dem Sultan, ob es sich um Religion oder die Grenzen handelt.

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