Erdogans islamische Wiederaneignung der Hagia Sophia
Zweite Eroberung von Konstantinopel.
Caricature: © Markus Szyszkowitz
Von Heinz Gstrein
Als zweite Eroberung Konstantinopels feiern die türkischen Wochenendmedien das islamische Freitagsgebet im bisherigen Museum der Hagia Sophia, das damit wieder zur Moschee gemacht wurde. Das Regierungs-Fernsehen nahm immer wieder die jetzt verhängten christlichen Mosaiken und Fresken der einstigen Kirche ins Bild, um ihre religiös-kulturelle Wiederaneignung durch den Islam nach 86 Jahren als weltliches Museum augenfällig zu machen.
Die Koranlesungen des Gottesdiensts wurden vor den Predigten durch die Ankunft von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterbrochen. Alle erhoben sich und begrüßten ihn mit dem islamischen Schlachtruf „Allahu ekber!“. Der Staatschef zeigte sich aber nicht sehr glücklich als Re-Moscheeisierer, unruhig schaute er während des stundenlangen Knieens um sich. Steht doch die Türkei vor dem finanziell-wirtschaftlichen Zusammenbruch, wovon die Show in der Hagia Sophia ablenken sollte.
Rundum lagerten ein paar tausend Islamisten auf ihren Gebetsteppichen und zeigten die Rabia, den von Erdogan übernommenen Vier-Finger-Gruß der ägyptischen Muslim-Brüder. Diese Anhängerschaft des Machthabers scheint aber am Schwinden zu sein. Mit seinem Griff nach der Hagia Sophia wollte Erdogan, wie er sagte, „das Herz der türkischen Nation gewinnen“. Dennoch weist die jüngste Umfrage für die Regimepartei AKP nur mehr 30 Prozent Unterstützung auf. Besonders die türkischen Frauen wenden sich gegen Erdogans forcierte Männergesellschaft. Die wurde ihnen bei dieser Moscheeeröffnung ja drastisch vor Augen geführt.
Die nach wie vor auf das Reformwerk des türkischen Europäisierers Kemal Atatürk einschließlich seiner Säkularisierung der Hagia Sophia eingeschworene CHP-Opposition begleitete gezielt die Re-Islamisierung seines Museums mit dem Hinweis auf eine bevorstehende Flucht Erdogans und seines Clans nach den USA. Wenn Kemalistenführer Kemal Kilicdaroglu recht hat, wurde von den Erdogans schon das Anwesen des Muslim-Boxers Cassius Clay vulgo Muhammad Ali in Michigan angekauft.