Niemals vergessen 1942: Varlik Vergisi und Askale
Von Heinz Gstrein
Ankara. Im Vorfeld des 80. Jahrestages des „Varlik Vergisi“, der für die religiösen Minderheiten der Türkei erdrückenden Vermögenssteuer von 1942, fordert jetzt der sozialdemokratische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu Abbitte von den Betroffenen: „Wir müssen die Minoritäten um Verzeihung bitten, die unter der Last dieser Sondersteuer geseufzt haben.“ Nach historisch objektiver Beurteilung hat es sich beim „Vergisi“ um einen staatlich organisierten Raub an Christen und Juden zum Zweck der Eliminierung von Nicht-Muslimen aus der Wirtschaft gehandelt. Auf der Gegenseite versucht nun die Tagezeitung „Cumhuriyet“ (Die Republik) diese Maßnahmen zu rechtfertigen: „Zu einer Zeit, als in der asiatischen Türkei Hunger herrschte, vervielfachte eine Gruppe von Nicht-Muslimen ihr Vermögen“.
Es stimme nicht, dass diese Vermögensteuer nur Christen und Juden betroffen habe, auch Muslime hatten sie zu entrichten. Tatsächlich bezahlten diese aber nur einen im Vergleich mit den Nichtmuslimen minimalen Steuersatz: So wurden armenische Christen mit 232% veranschlagt, Juden zahlten 179%, und Griechisch-Orthodoxe 156%, die Muslime hingegen nur 4,94%. Diese Abgabe in mehrfacher Höhe des Besitzes war binnen 15 Tagen bar zu entrichten, wozu die meisten Betroffenen nicht imstand waren. Es folgte Zwangsversteigerung, auch von Wohnungseinrichtungen und privaten Gegenständen. Da auch damit meist die Vermögenssteuer nicht abgedeckt war, mussten diese „Staatsschuldner“ den Rest in Lagern abarbeiten, bei denen die Steinbrüche von Askale die berüchtigsten waren. Nur wenige überlebten. Es galt also, Christen und Juden nicht nur finanziell, sondern auch physisch zu liquidieren…