Heinz Gstrein Nachrichten

Orthodoxe Kirche von Zypern unter neuer Leitung Georgios III

 

zwischen Konstantinopel und dem russischen Einfluss

 

Von Heinz Gstrein

Nikosia. Der zu Weihnachten neuerwählte griechisch-orthodoxe Erzbischof von Zypern, Georgios Papachrysostomou, wurde am 8. Januar in der neuen Barnabas-Kathedrale der zyprischen Hauptstadt als Georgios III. inthronisiert. Die letzten Erzbischöfe dieses Namens waren Georgios I., der um 754 im byzantinischen Bilderstreit als Verteidiger der Ikonenverehrung aufscheint, und Georgios II., 1251 von den pro-römischen orthodoxen Bischöfen der Insel zum kirchlichen Oberhaupt gewählt.

Die Orthodoxe Kirche von Zypern ist mit ihren 780 000 Gläubigen eine der kleineren, aber die älteste „autokephale“ ostkirchliche Gemeinschaft. 431 hatte sie das Konzil von Ephesos im Zuständigkeitsstreit zwischen den Patriarchen von Alexandria und Antiochia für unabhängig erklärt. Diese zyprische Autokephalie wucherte dann seit dem 19. Jahrhundert zu einem „Autokephalismus“ der orthodoxen Kirchen unabhängiger Staaten aus. Andererseits gab ihr autokephaler Status der Kirche von Zypern das Recht, bei der arabischen Besitznahme der Insel 685 für die Flüchtlinge eine Exiljurisdiktion an den Dardanellen unter dem Namen „Nea Justiniana“ zu errichten. Diese diente dann wieder im 20. Jahrhundert während der Existenz des Ostblocks den Auslandskirchen der Russen, Ukrainer, Esten, Letten, Litauer und Rumänen als Rechtsgrundlage. Auch der Erzbischof in der Heimat trägt bis heute den Titel von „Neu-Justiniana und ganz Zypern“.

Georgios II. war Mitte des 13. Jahrhunderts der Erwählte jener „einheitsgläubigen“ orthodoxen Bischöfe, die im jungen „Lateinischen Königreich Zypern (1191-1489) Mitte des 13. Jahrhunderts als „devoti Ecclesiae Romanae“ die Kirchengemeinschaft mit dem Papsttum wieder aufgenommen hatten, ohne in eine förmliche „Union“ zu treten, wie sie dann seit dem Konzil von Florenz  üblich geworden ist. Dieser „Union von Florenz“, die sonst überall zum Modell der Unterwerfung von Teilen der Orthodoxie unter das Papsttum geworden ist, stimmte hingegen kein einziger zyprischer Theologe zu.

Das änderte sich aber 1489 mit dem Übergang des unabhängigen Kreuzfahrerkönigreichs Zypern unter venezianische Herrschaft. Diese hatte bereits in ihren anderen levantinischen Besitzungen ihre orthodoxen Untertanen lateinischen Bischöfen unterstellt. Das Höchste, was den Orthodoxen zugestanden wurde, waren eigene Dekanate unter Erzpriestern, den „Protopapades“. Erst die osmanischen Türken, von denen Zypern 1570 erobert wurde, stellten die von Venedig aufgelösten orthodoxen Bistümer und vor allem das Erzbistum Zypern wieder her. Von  daher wird die im Abendland angeprangerte orthodoxe Losung „Lieber den Turban des Sultans als die Tiara des Papstes“ verständlich.

Fortan blieb Zypern ein für die katholische Ökumene dorniger Boden. Seit 1878 Großbritannien die Insel von den Türken übernahm, hatten die orthodoxen Erzbischöfe nur mehr ein politisches Ziel: Den Anschluss von Zypern an Griechenland, die „Enosis“. Diese Bewegung erreichte 1960 ihren erfolgreichen Höhepunkt, als Erzbischof Makarios III. auch erster Präsident eines unabhängigen Zyperns wurde. Dieses Ende der Kolonialherrschaft wurde allerdings mit dem Aufstand der Zyperntürken 1963/64 und der anhaltenden türkischen Besetzung von fast der ganzen Nordhälfte der Inselrepublik seit 1974 bezahlt.

Unter den mit Unterbrechungen 76 Erzbischöfen von Zypern finden sich daher hochgebildete Kirchenpolitiker wie Präsident Makarios und ganz schlichte, aber fromme Persönlichkeiten wie schon Georgios I. im 8. Jahrhundert. Diese Traditionslinie wird mit Georgios III. wieder aufgenommen. Er wurde 1949 in einem Dorf zwischen Larnaka und Lemesos geboren, wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Lehrer ermöglichte ihm den Besuch des Panzyprischen Gymnasiums in Nikosia, 1968 erhielt er ein Stipendium zum Studium an der Universität Athen, allerdings nicht für Theologie, sondern Chemie. Theologie beginnt er erst 1980 neben seiner Tätigkeit als Gymnasialprofessor zu studieren. 1984 zum Diakon und 1985 zum Priester geweiht, wird er 1994 zum Sekretär des Heiligen Synods berufen. Doch kehrt er nochmals zu seinem Wirken als Chemieprofessor zurück. Erst 1996 entscheidet er sich bei aller Hinneigung zur positiven Naturwissenschaft endgültig für die geistliche Laufbahn, er wird Weihbischof des Metropoliten Chrysostomos Dimitriou von Paphos, dessen Nachfolge er 2006 nach dessen Wahl zum zyprischen Erzbischof antritt. Als Chrysostomos II. am 7. November 2022 stirbt, bewirbt sich Chrysostomos Papachrysostomou um seine Nachfolge. Neben dem starken russophilen Bischofsflügel, der Gruppe „Spirituelle Erneuerung“ und dem ultrakonservativen Metropoliten Neophytos Masouras von Morphou scheint er aber die geringsten Chancen zu haben.

Erst langsam erinnert man sich auf Zypern und in der Ökumene an den Beitrag, den Georgios mit seiner Gastfreundschaft und Herzlichkeit zum Gelingen der schwierigen 11. Vollversammlung

der gemeinsamen orthodox-katholischen Dialogkommission in Paphos im Oktober 2009 geleistet hat. Dasselbe gilt für die Apostolische Reise von Papst Benedikt XVI. nach Zypern Anfang Juni 2010, die so von ihrem Auftakt in Paphos an einen positiven Verlauf nahm. Seine praktische ökumenische Ausrichtung stellte der Metropolit von Paphos außerdem mit seiner Übergabe der orthodoxen Kirche zur Geißelung des hl. Paulus an Katholiken und Anglikaner für ihre gottesdienstlichen Bedürfnisse unter Beweis.

Bei der auf Zypern üblichen Volkswahl für einen Dreiervorschlag zur neuen Kirchenführung kam Metropolit Georgios daher am 18. Dezember 2022 an die zweite Stelle hinter dem ehemaligen Vorsteher der Mönchsrepublik Athos, Athanasios Nikolaou, seit 1999 Metropolit seines zyprischen Geburtsortes Limassol. Eine von ihm sofort eingeleitete Agitation unter dem Pfarrklerus und in den Laienorganisationen forderte die automatische Bestätigung dieser „Kirchen-Volksentscheidung“ durch die Heilige Synode. Georgios von Paphos verwies hingegen auf die Kirchenverfassung mit ihrer freien Meinungsbildung der Bischöfe ohne Rücksicht darauf, wer die Volksabstimmung gewonnen hatte. Er zog die erst im Neuen Jahr vorgesehene synodale Endentscheidung auf Weihnachten vor, um seinen Gegnern nicht mehr viel Zeit für ihre Umtriebe zu lassen. Gleichzeitig sicherte er sich die Stimmen des russophilen Flügels in der Synode mit der Zusicherung, die traditionell engen Beziehungen der zyprischen Orthodoxie zum Moskauer Patriarchat nach einem Ende des Ukrainekrieges wieder aufleben zu lassen. So wurde er am 24.12.2022 mit elf gegen vier Stimmen und eine Enthaltung als Georgios III. von Nea Justiniana und ganz Zypern zum Erzbischof gewählt.

Die vier Anhänger des athonitischen Metropoliten von Lemesos versuchten diese Entscheidung in der Synode zunächst weiter mit dem Hinweis „Volkes Stimme – Gottes Stimme“ anzufechten. Der Erzbischof setzte sich mit ihnen zusammen und versprach gemeinsame Beratungen über eine neue Kirchenverfassung. Draußen vor der Tür dieser breiten Einigung verharrte nur der homophobe Metropolit Neophytos von Morphou. Er blieb dann auch der Amtseinführung von Georgios III. am 8. Januar fern.

Diese gestaltete sich als prunkvolle Inthronisierung nach byzantinischem Kaiserprotokoll: Der Erzbischof erhielt das kaiserliche Szepter, den Krönungsmantel Mandyas und rote Purpurtinte für alle seine Unterschriften überreicht. Angeblich wurden diese kaiserlichen Privilegien den Erzbischöfen von Zypern schon in mittelbyzantinischer Zeit verliehen. Sie dürften jedoch vom kurzlebigen byzantinischen Kaisertum Zypern unter Isaak Komninos

am Ende des 12. Jahrhunderts stammen. Beim Szepter handelt es sich überhaupt um eine Nachbildung von 1869, was aber das Ansehen des zyprischen Erzbischofs in der gesamten orthodoxen Kirchenfamilie nicht beeinträchtigt.

Schreibe einen Kommentar