König Konstantin II. oder Kaiser Konstantinos XIII.?
Griechenlands verstorbener Monarch stand als letzter in byzantinischer Tradition
Von Heinz Gstrein
Athen/Istanbul. Am 16. Januar 2023 wurde der griechische König Konstantin II. (1940-2023) im Mausoleum von Tatoi nahe
der Hauptstadt beigesetzt. Die damalige Militärdiktatur hatte ihn 1973 abgesetzt. Seine Entthronung war nach dem Sturz der
Diktatoren im Dezember 1974 mit einer formell demokratischen, doch auf Konstantins Abwahl angelegten Volksabstimmung
bestätigt worden. Die konservative Regierung von Kyriakos Mitsotakis verweigerte ihm daher nun nach seinem Tod in einem
Athener Spital am 10. Januar das Staatsbegräbnis mit der Begründung, dass jeder Adel in Griechenland abgeschafft sei.
Dem widersprach die Praxis, alle ehemaligen Staatsoberhäupter – gleich von welchem Status und politischen Ausrichtung – mit
öffentlichen Ehren zur letzten Ruhe zu betten. Umso mehr, als Konstantin nie verbindlich abgedankt hatte.
Tatsächlich gestaltete sich schon Montag früh die Volksverabschiedung von dem zu Lebzeiten eher politisch
umstrittenen Monarchen am Platz vor der orthodoxen Kathedrale zu einem nostalgischen letzten Gruß der griechischen
Königstreuen an den verewigten Konstantin. Mit Bildern des ehemaligen Königspaares und alten, von der Königskrone
gezierten Flaggen. Als die Königinwitwe Anna Maria eintraf, gab es Beifallsstürme.
In linksradikalen und bürgerlich-republikanischen Kreisen war im modernen Griechenland die Monarchie nie besonders beliebt.
Im konservativen Lager und beim Orthodoxie-gläubigen Volk wurde Konstantin II. hingegen als XIII. gezählt und verehrt, in
eine Linie mit den byzantinischen Kaisern gestellt.
Zum anschließenden Requiem in der Domkirche Evangelismos waren nur geladene Gäste der Dynastie Sonderburg-Glücksburg
zugelassen, einer Nebenlinie des Hauses Oldenburg, die in Griechenland von 1863 bis 1967 regiert hat: Doch
die illustre Versammlung von Monarchen und internationalem Hochadel füllte das Gotteshaus bis auf den
letzten Platz.
Der ehemalige bulgarische Zar Simeon II. – nach der Wende noch einmal Ministerpräsident in Sofia – wies in einem Gespräch
an der Kirchentür darauf hin, dass mit Konstantin auch vorletzte orthodoxe Herrscher dahingegangen ist, der selbst einmal regiert
hatte. So konnten sich die Herrscherhäuser von Russland, Serbien und Rumänien jetzt bei den Athener
Trauerfeierlichkeiten nur durch ihre Thronwerber vertreten lassen.
Die griechisch-orthodoxe Kirche hatte von Anfang an keine Vorbehalte: Das Reqiem und die Grablegung wurden durch
Erzbischof Hieronymos II. Liapis von Athen und ganz Griechenland persönlich vorgenommen, umgeben vom Heiligen
Synod.
Im Istanbuler Phanar zelebrierte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. sofort bei Bekanntwerden der Todesnachricht
mit allen anwesenden Bischöfen und dem gesamten Patriarchatsklerus ein feierliches Seelenamt. Nach Mitteilung
von Ohrenzeugen wurde dabei – wenn auch ohne Namensnennung – für das ewige Heil „unserer Könige“ gebetet.
In seiner offiziellen Beileidsadresse wies Bartholomaios auf seine „langjährige, persönliche Freundschaft“ mit Konstantin
hin. Die griechische Presse von Istanbul erinnerte mit Bildreportagen an den letzten – und einzigen – offiziellen
Besuch eines griechischen Königspaares im Phanar 1952. In Athen wurde dieser jetzt durch Metropolit Τheodoritos
Polyzogopoulos von Laodicäa vertreten.
Griechenlands erster oldenburgischer König Georg I. (1863-1913) hatte 1867 durch seine Ehe mit der russischen Großfürstin
Olga Nikolajewna, die orthodoxe Taufe und Erziehung ihrer Kinder seine Dynastie eng mit der Orthodoxie verbunden, was
vor ihm in Athen der zwar katholische, doch liberale Wittelsbacher Otto I. von Griechenland verabsäumt hatte.
Königin Olga machte sich durch zahlreiche orthodoxe Sozialwerke verdient. Als sie 1897 an der griechisch-türkischen
Front feststellen musste, dass die Soldaten die Bibel in Klassischem Griechisch nicht lesen konnten, sorgte sie 1901 für
die erste neugriechische Bibelübersetzung.
Für Konstantin II. war dann sein Verbindungsmann zur Orthodoxie der Hofprediger Ieronymos Kotsonis. Dieser hatte in
Deutschland studiert und das damalige Standardwerk „Paulus“ des bayerischen Prälaten Josef Holzner ins Griechische
übersetzt. Mit diesem Buch in der königlichen Hausbibliothek ist der junge Konstantin aufgewachsen.
Verhängnisvoll wurde jedoch der Einfluss seines verehrten Seelenführers Kotsonis, als dieser am 21. April 1967 mit
putschenden Obristen gemeinsame Sache machte und sich von ihnen als Erzbischof Hieronymos I. von Athen einsetzen liess.
Auf seinen Rat duldete der König zu Anfang das Militärregime, bis er es aus besserer Einsicht im Dezember 1967 zu stürzen
versuchte. Dieser -vergebliche – Einsatz für die Demokratie war der Anfang vom Ende seines Königtums: Konstantin II. wird als
eine tragische Persönlichkeit in die europäische Zeitgeschichte eingehen.