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Bartholomaios I. bei KEK-Vollversammlung an der Grenze Russlands

Von Heinz Gstrein

Tallin. Die “Konferenz Europäischer Kirchen“ (KEK/CEC) hat ihre 16. Vollversammlung vom 14. bis 20. Juni im früheren deutschbaltischen Reval, der heutigen estnischen Hauptstadt Tallinn abgehalten, nur 368 km von Wladimir Putins diesjähriger Sommerhauptstadt Petersburg. Unter dem Tagungsthema „Mit Gottes Segen die Zukunft gestalten“ befassten sich 17 Rednerinnen und Redner samt dem Ökumenischen Patriarchen des Orthodoxie, Bartholomaios I. als Hauptreferenten mit der zukünftigen Entwicklung von Kirchenpolitik und Ökumene in Osteuropa.

Er gab gleich Anfangs den Ton an und bezeichnete die Festigung des ökumenischen Geistes als wichtigsten Zweck dieser Zusammenkunft. Denn eine spalterische und zersetzende Mentalität – vielerorts wird schon von einem „postökumenischen“ Zeitalter gesprochen – diene Russland gerade jetzt als Vorwand für den brutalen Überfall auf die Ukraine und seiner Kirche zur Rechtfertigung dieser angeblichen Rettung des ukrainischen Volkes vor seiner Verführung durch einen „gottlosen, säkulären und libertinistischen Westen“. Abschließend sprach Bartholomaios die Hoffnung aus, dass Ökumenismus und christliche Werte in einem freien, demokratischen Europa der EU bewahrt werden können.

Schon am Vormittag hatte der Patriarch im Talliner Simeon-und-Anna-Dom der Apostolischen Orthodoxen Kirche Estlands, die in der Jurisdiktion von Konstantinopel steht, auf die Ökumenismus-Erklärung des Orthodoxen Konzils von Kreta verwiesen und in diesem Zusammenhang nachdrücklich die jüngste Entweihung eines Korans im nordostgriechischen Iskece (Xanthi) verurteilt.

Metropolit Stephanos Charalambides von Tallin hatte schon zuvor vor der KEK-Vollversammlung vom Leidensweg der estnischen Orthodoxie im 20. Jahrhundert während dreimaliger sowjetischer Unterdrückung (1918/19, 1940/41, 1944-1991) berichtet. Seine Kirche habe dabei auch in ökumenischen Fragen Geduld und Demut gelernt.

Bei den osteuropäischen Teilnehmern hatte die KEK auch gegensätzliche Kirchenlager an einen Tisch gebracht. So die neue Autokephale Orthodoxe Kirche der Ukraine mit ihrem Erzbischof Jevstratiy Zora von Bila Tsrkva und den Prorektor der Theologischen Akademie in Kiew, Prof. Volodymyr Bureha, der zur moskautreuen Ukrainischen Orthodoxen Kirche gehört, die ihre Abhängigkeit vom russischen Patriarchat erst im Verlauf des Ukrainekrieges gelockert hat. Dazu kam eine Vertretung der in Litauen durch Wechsel vom Moskauer zum Ökumenischen Patriarchat entstehenden neuen Kirchenstruktur. Aus Berlin erschien die namhafte Russland Expertin Ksenia Lutchenko. Sie brachte neue Informationen über den sich ausweitenden Widerstand russischer Geistlicher gegen den Kreml-hörigen Kurs von Patriarch Kyrill. Vom mutigen Aufbegehren gegen die Lukaschenko-Diktatur berichtete die aus Minsk nach Bonn exilierte Natalia Vasilevich. Ein ergreifenden Höhepunkt dieser Stimmen von hinter dem neuen Eisernen Vorhang Putins gelang schließlich der weißrussische Oppositionsführerin Sviatlana Tsikhanouskaya.

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