‘Αρθρα

Mandäer – die kleinen Unbekannten bei Franziskus in Ur

 

Jüdische Täufer vertraten das beim Abraham-Gedenken vergessene Judentum

 

Von Heinz Gstrein

Bagdad. Frieden, Frieden und nochmals Frieden ist die bleibende Botschaft der Irakreise von Papst Franziskus:  Ob bei seiner historischen Begegnung mit dem „Heiligen Vater“ aller schiitischen Muslime, Großayatollah Ali al-Sistani, in den Ruinen des vom Sunniten-Terror des Islamischen Staates (IS) zerstörten Mossul oder bei der mächtigen, in eine bessere Zukunft weisenden Abschlusskundgebung im Stadion von Erbil, das nach dem 2001 ermordeten christlich-assyrischen Politiker Franso Hariri benannt ist. Nirgendwo stand Frieden im Namen des Einen Gottes aber so im Mittelpunkt wie in der Urheimat des Monotheismus, dem südirakischen „Ur in Chaldäa“, der überlieferten Heimat des biblischen Stammvaters Abraham.

Unter den Vertretern der sich auf ihn berufende Religionen, die dort mit Franziskus um Frieden untereinander und für die Welt gebetet haben, befanden sich außer Christen und Muslimen auch Geistliche von zwei kleinen abrahamitischen Traditionen: den Jesiden und Mandäern. Die nordirakischen Jesiden sind seit ihrer grausamen Massakrierung und Frauenversklavung durch die IS-Terrormiliz weltweit bekannt. Anders die Mandäer, im Protokoll des Papstbesuches „Sabäer“ genannt, was ihrem arabischen Namen entspricht, der „Täufer“ bedeutet. Sie lebten fast 2000 Jahre friedlich im südlichen Mesopotamien und hätten in Ur für den Papstbesuch die Hausherren abgeben können. Wie Iraks Christen wurden aber auch sie von drei Golfkriegen und der ihnen folgenden Unrast in alle Welt zerstreut, taufen heute statt am Euphrat und Tigris an Isar, Pegnitz und Spree. Viel mehr als im alten Chaldäa leben jetzt in Nürnberg, München und Berlin, wo sie in Dozentin Rebekka Nieten über eine der derzeit besten Kennerinnen ihres sonst weithin unbekannten Glaubens verfügen.

Die „Mandäer“, ihr aramäischer Name bedeutet etwa „Wissende, Eingeweihte“, sind eine in ihrer Art einmalige Friedensreligion. Sie dulden keine Unterwerfung von Andersgläubigen, nicht einmal ihre Bekehrung. Sie nahmen daher mit bestem Recht an der päpstlichen Friedenszeremonie von Ur teil. Das umso mehr, als sie dort auch eine Art Platzhalter für die abwesenden eigentlichsten Kinder Abrahams darstellen mussten: die Juden. Das babylonische Judentum hatte seit dem alttestamentlichen Exil eine wichtige, neben Palästina die wichtigste Rolle gespielt. In nachbiblischer Zeit wurde der „babylonische“ sogar noch wichtiger als der palästinensische Talmud. Die Juden hielten sich im Zweistromland auch unter arabischer und osmanischer Herrschaft, bis für sie wie anderswo mit dem Zweiten Weltkrieg ihre Vernichtung einsetzte: Den Anfang machte im Frühsommer 1941, als Hitler vorübergehend auch den Irak als Bundesgenossen gewonnen hatte, das Bagdader Judenprogrom „Farhud“. Dann haben verschiedene nationalarabische Regimes bis hin zu Saddam Hussein dafür gesorgt, dass von Hunderttausenden irakischen Juden nur mehr eine Handvoll übrig geblieben sind. Doch auch von diesen fand sich kein einziger beim Papst in Ur ein, oder wurde gar nicht erst eingeladen…

Die Mandäer jedenfalls haben jüdische Wurzeln in den Jüngern Johannes des Täufers, von denen sich auch nach dem Zeugnis des Evangeliums ein Teil nicht Jesus angeschlossen hat. Sie gingen als reformjüdische Taufbewegung ihren eigenen Weg, setzten sich sowohl vom traditionellen Judentum wie der neuen christlichen Lehre ab. In ihrem reichen Schrifttum, dessen wichtigstes Werk heißt nicht zufällig „Ginza“ (Schatz), werden Jesus und seine Apostel als falsche Jünger des Täufers abgelehnt. Dennoch halten die Mandäer am Symbol des Kreuzes fest. Ablehnung  gilt auch für Moses und sein Gesetz, an dessen Stelle bei ihnen das „Große Fasten“ getreten ist: Die Enthaltung von Gedanken und Werken des Bösen wie Neid, Lüge und Gewalt.

Wer sündigt, soll sich durch Taufe reinigen, die bei den Mandäern beliebig oft in fließendem Wasser wiederholt werden kann und sogar ihre zentrale rituelle Handlung darstellt. Dabei treten die sonst unauffälligen Mandäerinnen und Mandäer auch bei uns in Erscheinung: Wenn Fischer oder Jogger an Flüssen und Bächen auf weiß verhüllte Gestalten stoßen, die dreimal untergetaucht werden.

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