„Privatkirchler“ mischen um orthodoxe Afrika-Mission mit
„Privatkirchler“ mischen um orthodoxe Afrika-Mission mit Weiter Weg von Wolfratshausen zum orthodoxen Metropoliten von Epirus
Von Heinz Gstrein
Kairo. Der Papst-Patriarch von Alexandria, Tawadros II., hat eine koptische Kirche in der ägyptischen Hauptstadt dem neu ernannten Missionsexarchen der Russischen Orthodoxen Kirche für Afrika, Metropolit Leonid Gorbatschew, zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um St. Mina, eine von Papst-Patriarch Kyrollos IV. (1959-1972) vor seiner Erwählung 1948 erbaute Kirche mit weitläufigen Räumlichkeiten für Theologie-Studenten von ganz Ägypten. Aus dieser geistlichen Wohngemeinschaft gingen bei den Kopten bedeutsame Persönlichkeiten hervor: So der Ökumeniker Bischof Samuil, den am 6.10.1981 Muslimfanatiker ermorden sollten, oder Papst-Patriarch Schenuda III. (1972-2012). Die weitläufigen Nebengebäude machten St. Mina besonders geeignet, um als Zentrum der russischen Afrika-Mission zu dienen, mit der Moskau neuerdings in diesen traditionellen Verkündigungsbereich der alexandrinischen Orthodoxie eingedrungen ist.
Dieses St. Mina darf nicht mit der ebenfalls in Alt-Kairo gelegenen „Keniset Mar-Mina“ verwechselt werden. Jene stammt aus dem 6. Jahrhundert und ist eines der bedeutendsten Zeugnisse der sakralen Baukunst im christlichen Ägypten vor der islamischen Eroberung. Sie hätte den Russen gar nicht übergeben werden dürfen, da diese Kirche unter Denkmalschutz steht. Dieser hat Muslim-Terroristen nicht daran gehindert, das Gotteshaus und seine Kirchgänger am 29.November 2017 anzugreifen, einem Freitag. Der ist im islamischen Ägypten wöchentlicher Ruhetag, so dass ihn auch die christliche Minderheit anstelle des sonntäglichen Arbeitstags für den Kirchgang verwendet. Mar-Mina war daher voll mit Koptinnen und Kopten. Wenn nur sieben von ihnen getötet wurden, war dasein Verdienst der ägyptischen Polizei, die selbst drei Männer ihres Einsatzkommandos vor und in der Kirche zu beklagen hatte.
Der griechisch-orthodoxe Patriarch von Alexandria, Theodoros II., hat am 13. Juli mit einer barschen Erklärung auf die Übergabe von St. Menas an das russische Missionsexarchat Afrika reagiert. Die neuere Annäherung des Moskauer Patriarchats an die Kopten, mit denen es in keiner Glaubens- und Kirchengemeinschaft steht, dürfe nicht mit der Übergabe von Kirchen belohnt werden. Es sein ein falscher Weg, die seit 2021 hunderte Stipendien für ägyptische Christinnen und Christen zum Studium in Russland mit Kirchen für die russische Orthodoxie zu belohnen. Das umso mehr, als Moskau in Afrika eine Offensive zur Untergrabung der bewährten griechisch-orthodoxen Verkündigung eingeleitet hat.
In seinem Protestschreiben bezeichnet Theodoros II. das heutige koptische Verhalten als Undankbarkeit der griechisch-orthodoxen Kirche gegenüber, die ihr einst geholfen habe, das Eindringen eines Gegenpatriarchen aus den USA zu verhindern und eine Spaltung der Kopten zu verhindern. Theodoros II. bezieht sich damit auf den „Pseudopatriarchen“ Maksimos I. Michail, der 2006 in Ägypten als Gegenspieler zu dem damals schon schwerkranken Papst-Patriarchen Schenuda III. aufgetaucht war. Informations-Hilfe aus der griechischen Orthodoxie hatten es den Kopten damals ermöglicht, die Spur dieses falschen Patriarchen und des „privatkirchlichen“ Netzwerks hinter ihm, nicht nur bis Amerika, sondern sogar weiter nach Deutschland zurückzuverfolgen.
Dieser abenteuerliche Kirchenkrimi beginnt 1969 am Erzbischöflichen Kolleg St. Matthias in Waldram. Dort tritt Michael „Melchizedek“ ein, verlässt Wolfratshausen aber schon 1972, um an das vom Regensburger Bischof Rudolf Graber geförderte Spätberufenenseminar der Franziskaner im Tiroler Schwaz zu wechseln.
Damit war seine Verbundenheit mit Rom vorerst zu Ende. Die Weihen empfing er vom „Katholischen Orden der Mariaviten in Deutschland“, dem er in dessen „Bayerischer Provinz“ als Kaplan dient. Die echten Mariaviten waren eine schwärmerische Bewegung in Polen, die schon in der Zeit zwischen den Weltkriegen den Zölibat abgeschafft und das Frauenpriestertum eingeführt hatte. Was in Deutschland davon in verzerrter Form existiert, sind seit 1949 vereinsrechtliche Gruppen, die sich vergeblich um Anerkennung als Religionsgemeinschaft bemühten. Ab 1995 stehen sie daher im Handelsregister. In den USA, wo „Church“ auch eine Form von „Business“ ist, war das schon lang üblich.
1981 entschloss sich daher auch Mar Michael Melchizedek den kargen kirchlichen Boden von Deutschland mit dem amerikanischen El-Dorado zu vertauschen. Wir finden ihn 1983 in Philadelphia, wo er sich zum orthodoxen Priester umweihen lässt. Nach Kirchenwechsel unter verschiedenen kanonischen orthodoxen Jurisdiktionen, schließt er sich in den frühen 1990er Jahren in Griechenland der Freikirche der Altkalender-Anhänger an, wird 1994 zu einem ihrer Bischöfe geweiht.
Sein eigentlicher Stützpunkt ist jedoch schon seit 1989 die Hauptstadt von Nebraska. Melchisedek fängt in Lincoln noch einmal ganz von unten als Feuerwehrseelsorger an, arbeitet sich zur Polizei hinauf, zum Präsidenten des Klerikerverbandes. 1994 wird er Eparch der Altkalenderkirche von ganz Nebraska, dessen in einer Zehn-Jahres-Feier 2004 groß gedacht wird.
Dabei weiht er auch Maximos I. Michail zum Koptischen Papst-Patriarchen. Es ist das erste Mal, dass sich Melchizedek auf den Boden der Orientalischen Orthodoxie vorwagt, wo er noch weniger zuständig als bei den Griechisch-Orthodoxen ist.
Diese kommen sofort den Kopten zu Hilfe, nachdem ihnen der so genannte Mar Melchizedek schon öfter in ihrem Bereich in die Quere gekommen war.
So wurden im Auftrag des Patriarchats von Alexandria alle Details über den falschen Patriarchen Maksimos I. Michael, doch auch über seinen Weihevater Mar Melchizedek in internationalen Medien veröffentlicht. Der Deutsche versuchte dagegen unter Androhung der US-Justiz erfolgreich zu agieren, musste dann aber froh sein, dass seine „kirchliche“ Laufbahn in Vergessenheit geriet.
Erst jetzt kam alles mit der Rückblende von Patriarch Theodoros II. auf die Ereignisse von 2006 wieder ans Licht der Öffentlichkeit. In der Zwischenzeit ist Mar Melchizedeks Appetit auf weitere kirchliche Würden nicht kleiner geworden. Er bezeichnet sich jetzt auch als Benediktiner OSB, habe 2015-2017 im Christ King Priorate in Schuyler sein Noviziat gemacht und die Gelübde abgelegt. Bei dem Priorat in Nebraska handelt es sich um eine Gründung der deutschen Benediktinerabtei Münsterschwarzach am Main. Sie erfolgte 1935, um der nationalsozialistischen Klosterschließung zuvorzukommen.
Die jüngste und größte Entdeckung einer Kirche, die Mar Melchizedek für sich in Anspruch nahm, war 2021das Konstrukt einer „Heiligen Autokephalen Orthodoxen Kirche von Epirus“. Dieses im Altertum und nochmals unter byzantinischer Herrschaft im 13. Jahrhundert große und mächtige Land auf dem Balkan war unter dem Regiment der osmanischen Türken zu einem kleinen Gebiet zwischen Arta im Süden und Chimara im Norden zusammengeschrumpft Eine eigene autokephale orthodoxe Kirche hatte es nie besessen. Wenn Melchizedek auf seiner Website meint, der Ökumenische Patriarch Germanos V. habe diese Autokephalie verliehen, so verwechselt er ihn mit dem Metropoliten des epirotischen Korytsa (albanisch: Korca) Germanos Karavangelis (dort 1900-1907). Dieser war nach seinen Studien in Leipzig und Bonn und seiner späteren Funktion als Metropolit von Zentraleuropa (1924-1935) den deutschen Kirchen und ihrer Theologie eng verbunden. Er – und nicht der gleichnamige Patriarch – hatte eine epirotische Autokephalkirche vorgeschlagen, die aber nie verwirklicht wurde. Auch bei dem Fürsten von Epirus, Zographou, auf den sich Melchisedek als Kirchengründer beruft, handelt es sich um Georgios Christakis-Zografu, den ersten Präsidenten des Autonomen Epirus, der als in München promovierter Liberaler mit Kirchenfragen nichts zu tun haben wollte.
So steht die „Kirchensammlung“ von Michael Mar Melchizedek auf schwachen Füssen, könnte aber der alexandrinischen Orthodoxie gefährlich werden, wenn sich der orthodoxe Kirchenfürst aus Bayern mit den russischen Kircheninvasoren in Afrika verbündet. Erste Anzeichen dafür finden sich bereits: So bezeichnet er sich an der Spitze einiger seiner Websites als der CA zugehörig, der Orthodox Church in America. Dabei handelt es sich um die Sprengel des Moskauer Patriarchats in den USA, denen dieses eine gesamtorthodox nicht anerkannte Autokephalie verliehen hat. Diese CA oder OCA verfügt zum Teil über als Theologen geschätzte Persönlichkeiten. Mar Melchizedek solidarisiert sich jedoch am 18. März 2022 auf seiner zugehörigen Website mit Patriarch Kyrill von Moskau und dessen Behauptung von einer „friedensstiftenden Rolle der Russischen Orthodoxen Kirche“ im Ukraine-Krieg und sendet Glückwünsche zum sowjetisch-russischen Siegesfest „S Dnem Pobedy!!!“, das am 9. Mai 2022 ganz im Zeichen der Invasion Richtung Kiew gestanden hat.
Völlig im Sinn der russischen Initiative, dem griechisch-orthodoxen Patriarchat von Alexandria das Missionsmonopol in Afrika zu entreißen, hat Mar Melchizedek mit Albert Nyanye schon einen „epirotischen“ Erzbischof für West-Kenya mit Sitz in Kisumu am Victoria-See geweiht. Das dortige alexandrinische Missions-Bistum blieb seit 2019 nach dem Tod von Bischof Athanasius Akunda lang verwaist. Eben erst wurde der südafrikanische Zypriot Markos Theodosis als Nachfolger nominiert, aber noch nicht geweiht. Den Griechen sind nun in Kisumu die „Epiroten“ zuvorgekommen…