‘Αρθρα NEA

Mazedonische Autokephalie nur tropfenweise

 

Hohe Ansprüche, doch zu wenig Entgegenkommen vom Phanar

 

Von Heinz Gstrein

Istanbul. Das Ringen um den endgültigen Status der orthodoxen Kirche in der Republik Nordmazedonien hat mit dem fünftägigen Besuch des Erzbischofs Stefan Veljanovski von Ohrid am Ökumenischen Patriarchat noch keinen Abschluss gefunden. Immerhin kam es zu keinem Bruch, nachdem die Serbische Orthodoxe Kirche inzwischen ihren bisher beanspruchten mazedonischen Sprengeln eine viel weitreichendere Autokephalie gewährt hat, als sie Konstantinopel in seinem „Patriarchal- und Synodalakt“ vom 9. Mai vorsah. Vergeblich hatte Stevo Pendarovski, der nordmazedonische Präsident, Bartholomaios I. am 18. Mai regelrecht angefleht, der Kirche von Ohrid volle autokephale Rechte einzuräumen, bevor das von den Serben getan würde.

Dennoch wurde dem Erzbischof aus Skopje nach seiner Ankunft in Istanbul am 9. Juni von Patriarch Bartholomaios I. bei einer Vesper im Marienkloster von Baloukli vor den alten Stadtmauern nur das Dokument zur Einheit offiziell überreicht. Es gewährt der seit 1967 von Belgrad eigenwillig losgelösten „Mazedonischen Orthodoxen Kirche“ endlich die Gemeinschaft mit der orthodoxen Kirchenfamilie. Von dieser war sie 55 Jahre lang als „schismatisch“ betrachtet und behandelt worden. Die Kirche von Zypern schloss sich mit Teilnahme eines ihrer Bischöfe an der Zeremonie dem Ende der Spaltung an. Das Moskauer Patriarchat hatte sich schon beeilt, die Belgrader „Autokephalie“ vom 5. Juni anzuerkennen.

Vorbehalte gegen die Bestimmungen dieses serbischen „Tomos“ meldete jedoch die Orthodoxe Kirche von Griechenland auf der Sitzung ihres „Ständigen Synods am 8. Juni an. Sie spricht von „ernsten Einwänden“ gegen das Dokument aus Belgrad. Dieses verwende den Namen „Mazedonische Orthodoxe Kirche“, den Konstantinopel zugunsten von „Erzbistum Ohrid“ ausgeschlossen hat. Hingegen ist der Kirchenrechtler Anastasios Vavouskos in Saloniki der Meinung, dass die Namensgebung „von Ohrid“ für Griechenland die viel gefährlichere ist. Das alte Erzbistum habe sich bis ins späte 18. Jahrhundert tief ins heute griechische Mazedonien hinein erstreckt. Die Verknüpfung der gegenwärtigen Orthodoxie von Skopje mit dieser großen Vergangenheit würde revisionistischen  irchlichen Ansprüchen über die Grenzen des heutigen nordmazedonischen Staates hinweg Vorschub leisten.

Dabei ist weniger an ganze Diözesen im nördlichen Griechenland zu denken, da heute ihre alte südslawische Bevölkerung von dort vertrieben ist. Doch kämen einzelne Klöster durchaus in Frage. So hat Erzbischof Stefan bei seiner ersten Ansprache in Baloukli auch das Joakimskloster am Sarantaporos tief im griechischen Mazedonien unter den monastischen Zentren seiner Kirche genannt. Bartholomaios sah sich also schon bei seiner Begrüßung des wieder in die kirchliche Ordnung eingegliederten mazedonischen Kirchenoberhauptes veranlasst, Stefan Veljanovski in Sachen von kirchlichem Nationalismus zur Ordnung zu rufen: „Wir hoffen, dass sie an ihren neuen Auflagen“ – keine Präsenz außerhalb der staatlichen Grenzen und auch nicht in der slawisch-mazedonischen Diaspora – „festhalten und ihre Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen, sondern aus ihnen lernen. Wir wünschen, dass die beständige Gefährdung der Orthodoxie durch das Nationalkirchentum eine ferne und korrekturbedürftige Vergangenheit darstellt.“

Jedenfalls erhielt der orthodoxe Versöhnungsakt von Baloukli seine ökumenische Aufwertung durch die Anwesenheit des Apostolischen Nuntius in der Türkei, Erzbischof Marek Solczynski, des römisch-katholischen Vikars von Istanbul, Bischof Massimiliano Palinuro sowie des anglikanischen Alterzbischof von Irland, Richard Clarke. Nicht vertreten war – obwohl in Istanbul präsent – die Bulgarische Orthodoxe Kirche. Sie blieb von dem kirchlichen Dreierspiel Phanar-Skopje-Belgrad kurz vor Torschluss im Abseits, obwohl sie sich als Mutterkirche des orthodoxen Mazedoniens betrachtet und als solche im November 2017 sogar von diesem anerkannt wurde.

Am 10. Juni nahmen Erzbischof Stefan und seine Delegation an den Namenstagsfeiern für den Ökumenischen Patriarchen teil, verhandelten aber hinter den Kulissen mit diesem und anderen Vertretern des Phanars über die nächsten Schritte im Autokephalieprozess. Dieser solle weiter zweigeleisig mit der Serbischen und mit Einbeziehung der griechischen Kirche geführt werden, doch alles nicht auseinanderstrebend, sondern in derselben Richtung.

Die heute geschlossene Theologische Fakultät des Patriarchats von Konstantinopel auf der Istanbul vorgelagerten Insel Chalki besuchten die Gäste aus Nordmazedonien am 11. Juni. Die Fakultät war in ihrer Blütezeit bis nach dem Ersten Weltkrieg auch eine Wiege des südslawischen Episkopats im orthodoxen Südosteuropa. Aus ihr gingen die meisten mazedonischen und bulgarischen, aber auch bosnischen Bischöfe hervor. Kirchenslawisch war daher neben Griechisch die Hauptsprache am alten Chalki.

Am ostkirchlichen Pfingstfest, dem 12. Juni, konzelebrierten Erzbischof Stefan und seine bischöflichen Begleiter mit Patriarch Bartholomaios I. in dessen Kathedrale Hagios Georgios am Goldenen Horn. Dabei sollte nach den Hoffnungen der mazedonischen Orthodoxen an sie schon der allein gütige „Tomos“ der Autokephalie übergeben werden. Die bilaterale serbische Urkunde mit dem Hinweis auf „Billigung durch die anderen orthodoxen Schwesterkirchen“ entspricht zwar dem Belgrader und Moskauer Autokephalie-Verständnis, wird aber vom Phanar nicht anerkannt. Sogar Vraniskovski fühlte sich als autokephaler Erzbischof allein von der Serben Gnaden nicht sicher genug. Er sprach das schon gleich nach seiner „Beförderung“ am 5. Juni in einem Interview mit der griechischen Kirchenjournalistin Maria Antoniadou aus.

Doch gab es dann am 12. Juni im Georgs-Dom für Stefan weder „Tomos“ noch wenigstens seine liturgische Erwähnung (Kommemorierung). Wenigstens stellte der Ökumenische Patriarch in seiner Pfingtspredigt die ganze neuzeitliche Struktur von orthodoxen Autokephalkirchen in Frage. Diese sei aus der aufklärerischen Schlussfolgerung Nation – Nationalstaat – Staatskirche entstanden: „Die einem Staat angepassten und von ihm finanzierten Kirchen sind zum Untergang und Verschwinden verurteilt.“ Wahre Autokephalie müsse über den nationalen und machtpolitischen Rahmen zu wahrer Kirchlichkeit hinausreichen!

Das waren tröstende, zukunftsweisende Worte für die mazedonische Kirche, die einst am Ohrid-See das Erbe der von fränkischen Missionaren vertriebenen Schüler der Slawenapostel Kyrill und Method gerettet, kirchenslawisches Schrifttum und Kultur für ganz Südost- und Osteuropa aufbereitet hatten.

Zum Schluss enttäuschte leider am Pfingstmontag der Verabschiedungsgottesdienst für die mazedonischen Gäste. An der Konzelebration in Istanbuls größter offener Kirche zum Hl. Geist nahmen mit Erzbischof Stefan nur seine eigenen Bischöfe teil. Patriarch Bartholomaios soll sich im Altarraum aufgehalten haben, ließ sich aber keineswegs blicken. Für die kirchenslawische Liturgie wurden nur griechische Diakone und ein ebensolcher Chor zur Verfügung gestellt. Epistel und Evangelium bekam das mazedonische Kirchenvolk, das die Hagia Triada füllte, auch nicht in seiner Sprache zu hören. Ebenfalls griechisch Glaubensbekenntnis und Vater unser, die am Vortag noch von Ministerpräsident Dimitar Kovacevski mazedonisch gebetet werden durften. Mikrophone gab es nur für die griechischen Sänger, Vorbeter und Diakone. Die slawischen Gebete, Hymnen und Segnungen des Erzbischofs und der Bischöfe aus Ohrid vernuschelten sich zu einem unverständlichen Gemurmel.

Anscheinend hat der Phanar bei allen jetzt wieder ausposaunten Beteuerungen „liebevoller Zuneigung“ noch immer nicht gelernt, wie er die nicht-griechischen Orthodoxen am Balkan behandeln sollte. Schon während der Türkenherrschaft hatten gerade die Mazedonier unter phanariotischer Arroganz und Überheblichkeit schwer zu leiden…

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