Iphigenie Moraitini Nachrichten

Heinz Gstrein ist verstorben

Iphigenia Moraitini Patriarchea*

Die Meisten kennen ihn als Journalist, Orientalist und Schriftsteller. Ich kannte ihn als Papa. Es wird genügend glänzende Artikel geben, die seine Karriere und Bibliographie vorstellen.

Als eine Art von Tochter möchte ich lieber, mit meinen Worten mehr als seine hervorragende Schrift und Expertenwissen loben. Weil Heinz in erster Linie ein ganz besonderer Mensch war.

Heinz war ein Erzähler von interessanten Geschichten. Auch selbstverständlich, da er ein ganz aktiver Schriftsteller war. Sein Leben Lang hat er um 4 Uhr morgens mit der Arbeit losgelegt. Verspielte Laune und absolute Liebe für alles Religiöse und Mystische kammen bei ihm zusammen. Er selbst war das Hauptziel seiner Scherze und Witze.

Deshalb überlegte ich, ob ich diesen Artikel ‚Der Arbeitermörder ist gestorben‘ nennen sollte. Heinz hätte das äußerst lustig gefunden. Eine der ersten Geschichten, die er mir erzählte, ging so: als er 6 Jahre alt war, in der späten 1940, ging Heinz zur Schule. Laut ihm selbst war sein Lehrer sehr politisch engagiert und berichtete ständig von den „Arbeitermördern“, aber ohne zu erklären, was der Begriff bedeutete. Eines Tages fragte er dann die Schüler: „Was wollt ihr sein, wenn ihr groß seid?“ Der Heinerle dachte ihn eine Freude zu machen, und antwortete „Arbeitermörder“. Was nun passiert ist, kann sich jeder vorstellen.

Das Lachen, das alle beim Hören der Anekdoten ihm schenkten, war typisch Heinz.

Heinz wurde 1941 in Innsbruck, Tirol, geboren. Seine prägenden Jahre, soweit ich weiß, verbrachte er zwischen der Disziplin seiner Mutter Imma und der Stärke seiner Großmutter väterlicherseits, Fanny.

Diese vornehme Dame, einst die Tochter des Rabbiners von Pinsk (im heutigen Weißrussland), hatte einen österreichischen Offizier des Ersten Weltkriegs geheiratet. Während des 2. Weltkriegs musste ihre Familie in einer Höhle verstecken und Österreich in der Nacht verlassen. Sie ging bis nach Lwiw in der Ukraine, um da ein Zertifikat zu erhalten, dass sie als orthodoxe Christin geboren worden war, und so der Deportation als Jüdin zu entgehen.

Diese Geschichte klang für mich als etwas, was Heinz selbst tun könnte – daher können wir mit Vertrauen sagen, dass er seine ungewöhnliche Lebenssicht von seiner Großmutter erlernt hat. Und auch sein Glauben. Die Oma meinte, dass dieses lebensrettende Dokument ihr eigenes Leben und das ihrer Nachkommen praktisch von den Orthodoxen erkauft hat. Diese „Schuld“ hat Heinz, der unter dem Namen Panteleymon getauft wurde, mit seiner lebenslangen Hingabe an diese Glaubensgemeinschaft zurückbezahlt.

Natürlich war diese Hingabe nicht weniger abenteuerlich als der Rest von ihm. In seinem ersten Studium, wurde Heinz von seinem Onkel nach Moskau geschickt, um da Politikwissenschaften zu studieren. Von dieser angesehenen Hochschule, wurde er sofort verwiesen: sie herausfanden, dass er, genau wie Großmama ihm gebeten hat, zur Kirche gegangen war und einige Rubel seines Stipendiums in die Opferkasse gelegt hatte. Jahrzehnte später, erhielt Heinz ein exklusives Interview mit Primakhov, nur um herauszufinden, dass Primakov in seinem letzten Studienjahr an derselben Universität gewesen war. Er wollte den Mann treffen, über den damals die ganze Schule geredet hat.

Nach seiner Rückkehr aus Russland, schickte ihn seine freche Oma in die Türkei, an die theologische Schule von Chalki. Da studierte er in derselben Klasse wie viele Größen der orthodoxen Welt, einschließlich des heutigen Ökumenischen Patriarchen, den er sehr schätzte. Eines von Heinz‘ größten Lebenszielen war es, die theologische Schule von Chalki wieder eröffnet zu sehen. Die wurde einige Monate vor seinem Abschluss geschlossen. Ich hoffe, mir kann verziehen werden, wenn ich jeden, der dies liest, dazu ermuntere, dieses Anliegen für ihn aufzugreifen. Es blieb sein innigster Wunsch und seine größte Hoffnung.

Wie Sie jetzt wahrscheinlich vermuten, hatte Heinz kein einfaches Leben. Menschen, deren Leben ein Abenteuer ist, schaffen gleichzeitig Ordnung und Chaos. Heinz war sicherlich einer dieser Menschen.

In all den 30 Jahren, in denen ich ihn kannte, genoss Heinz das Leben am meisten, wenn er etwas tat, üblicherweise ausgefallenes, öftersinvolvierend das Klettern auf Berge, suchend Anzeichen für (zum Beispiel) die Arvanitische Minderheit. Zu dieser Zeit Griechenland gerne leugnete, ihre Existenz. Wenn dies sich anhört, als es spannender klingt, es zu hören, statt zu erleben, glauben Sie mir: so war es in der tat. Für jeden, der nicht Heinz‘ Antrieb und Hingabe hatte, zumindest.

Es ist schwer, in aller Ehrlichkeit, 30 Jahre Verwandtschaft in einem kurzen Artikel zusammenzufassen. Soll ich von der Zeit erzählen, als er im Irak von Saddam war und einen Artikel mit dem Titel „Endlösung der Kurdenfrage“ schrieb? Er hat damit gerechnet, dass die Zensoren den Parallel zwischen Hitler und Saddam nicht erkennen werden. Und in der Tat: hatten die nicht.

Sie wissen vielleicht bereits von seinem Widerstand gegen den Bau von Minaretten in der Schweiz. Er sah sein Engagement als rein akademisch an und war verständlicherweise verletzt über die wütende Angriffswelle, die ihm ankam. Eines Tages wurde er an der Universität, an der er lehrte, aufgefordert, „eine Entschuldigung für seinen politischen Extremismus zu aüßern“. Sein Kommentar dazu war: „Ich gehöre dem politischen linken Spektrum an, und ich bin ein Akademiker. Dies ist die fachliche Meinung eines Akademikers, der Religionen studiert, nicht Politik. Wenn sie das nicht verstehen, können sie das Studium selbst beibringen.“ Ich musste mit ihm argumentieren, dass seine Studenten wahrscheinlich nur durch bösartige, reißerische Presse gelesen hatten und dass er erklären musste, wie alles doch kam. Diese Worte nahm er zu Herzen – und es war der Beginn seiner Rehabilitation.Die Welle von entschuldigenden E-Mails genoss er sehr.

Soll ich von seine Ausweisung aus Griechenland erwähnen? Während der Diktatur der Colonels hat er ein Radiointerview zum nationalen Rundfunksender gegeben. Er wurde gefragt: „Wird jemand von die Putschmachern dem Gefängnis entgehen?“ und antwortete mit „Vielleicht Patakos. Wegen seiner transparenter Dummheit“. Soll ich Ihnen von der Zeit erzählen, als Gefallen für einen Freund einen Konvoi von Lastwagen in Russland leitete? Die Fahrer wurden alle von Prostituierten ausgeknockt, mit Schlaftabletten in den Krim-Champanskaya. Er gab sich als österreichische Mafia, um die Diebe zu verhindern. Alles wahr.

Oder soll ich den persönlichen Weg gehen und erzählen, dass Heinz ein gerahmtes Bild besaß, auf dem stand ‚Wir haben dich als Onkel adoptiert, Onkel Heinz‘? Das hat er in den 1990er gekriegt. Es stand mitseiner Sammlung von Autogrammen verschiedener Persönlichkeiten.Oder wenn ich sage, dass als wir ihm eine Gehhilfe besorgten, wir Fotos meiner Kinder damit spielend machen mussten? Wir müsstenüberzeugen, dass er kein Invalid sei. Was versteht mann, wenn ich von der Zeit vor etwa zwanzig Jahren erzähle, als wir in sein Tiroler Dorf Ladis fuhren? Heinz ging zur Höhle seiner frühen Kindheit. Er kam zurück mit Tränen in den Augen und sagte: „Ich frage mich, ob es für mich nicht einfacher gewesen wäre, auch Seife gewesen zu sein.“ Vielleicht ist das der Grund, warum er unter keinen Umständen verbrannt werden wollte. Ich weiß es nicht.

Was ich doch weiß, ist, dass Heinz eine außergewöhnliche Kraft für das Gute, die Stärke und das Chaos war. Die Art von Kraft, die  vielen Leiden, dass Menschen die zufällig einer ethnischen oder religiösen Minderheit gehören . Und dass diese Kraft jetzt weg ist. Es liegt an uns, die heute die Welt gestalten, für das einzutreten, was gerecht, wahr und freundlich ist, so wie er es getan hat: in großen und auch in den kleinsten Dingen.

Heinz verstarb friedlich am 1. Dezember 2023 an dem, was wahrscheinlich als Lungeninfektion erscheint. Da diese „Lungeninfektion“ tatsächlich einen 2-wöchigen Krankenhausaufenthaltaufgrund von COVID folgte, können wir alle zustimmen, dass es einer Pandemie bedurfte, um ihn zu seinem Ende zu bringen.

Er hinterlässt seine liebevolle Familie, die ohne ihn ärmer ist.

* Internationalist, Journalist

 

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