Beredtes Schweigen des Phanars nach Polenreise
Indirekt geharnischte Positionierung gegen Patriarch Kyrill von Moskau
Von Heinz Gstrein
Istanbul. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. hat nach der Abreise von Begegnungen mit ukrainischen Flüchtlingen in Polen seine Aktivitäten im Phanar Ende März wieder aufgenommen. Zuvor wurde seine Rückkehr nicht mitgeteilt. Das nährte ebenso wie die überraschende Streichung seines für 30.3. angekündigten Besuchs des orthodoxen Onufrij-Klosters von Jableczna im polnisch-ukrainischen Grenzland Spekulationen über ein geheimes Treffen von Bartholomaios I. mit dem „moskaufreien“ Autokephal-Metropoliten Epifanij von Kiew.
Am 31.3. empfing der Patriarch jedenfalls wieder im Phanar den Generalsekretär des Rates Europäischer Kirchen (KEK), Jørgen Skov Sørensen. Ihr Meinungsaustausch galt der für Juni 2023 im estnischen Tallin geplanten KEK-Generalversammlung vor dem Hintergrund der Verunsicherung durch den Krieg in der Ukraine. Der dänische Ökumeniker war vor seinem Amtsantritt beim KEK unter anderem in Hongkong tätig und kennt die Gefahren russo-chinesischer Wiederbedrohung aus eigener Erfahrung.
In der Folge stand Bartholomaios in Istanbul einer Reihe von fastenzeitlichen Gottesdiensten vor, ohne dabei in der Predigt – wie gewohnt – eine Bilanz seiner Initiative in Warschau zu ziehen. Der Ökumenische Patriarch schweigt sich seit seiner Heimkehr in den Phanar völlig aus. Hatte er doch schon in Polen angesichts des ukrainischen Flüchtlingselends hervorgestoßen: „Manchmal ist Schweigen die einzig angemessene Antwort.“
Umso beredter war dann eine am Wochenende auf die Website des Ökumenischen Patriarchats gestellte Würdigung des Polenbesuchs als „Botschaft der Einheit“. Darin wird durch einen der führenden von Griechenlands Kirchenjournalisten, Stavros Tzimas, gleich eingangs festgehalten, dass der Polenbesuch von Bartholomaios I. über seine humanitäre Seite hinaus auch religionspolitische Bedeutung hatte: „Er war eine Botschaft von Einheit der ökumenischen Orthodoxie der russischen Invasion der Ukraine gegenüber, doch auch eine Missbilligung des russischen Patriarchen Kyrill, der diesem Einfall seinen Segen erteilte.“ Diese kirchliche „Weißwaschung“ von Putins Feldzug gegen die christlichen Glaubensgeschwister in der Ukraine habe die Christen der Erde schockiert. Alle autokephalen Kirchen der Welt und die orthodoxen Patriarchate hätten den Überfall mit wenigen Ausnahmen wie Antiochia und Serbien) verurteilt und ihre Verbindungen zum Moskauer Patriarchat eingefroren. Weiter stellt „Phos Phanariou“ fest, dass die Kirche des russophilen Flügels der Orthodoxen in der Ukraine ihre Gemeinschaft mit Moskau abgebrochen hätte: Über 300 Bischöfe, Kleriker und Theologen hätten bisher schon aufgehört, Kyrill als ihr geistliches Oberhaupt in die liturgischen Gebete einzuschließen.
„Was die russische Kirche in den letzten Jahren in ihrem Bemühen um die Führung in der Weltorthoxie aufgebaut hat, bringen die Panzer und Raketen Putins zum Einsturz“.
Zum einen oder anderen Zeitpunkt, auf die eine oder andere Art, werde dieser Krieg zu Ende gehen und in der zerstörten Ukraine auch eine neue kirchliche Ordnung geschaffen werden, die den Stempel der jeweiligen Sieger tragen werde. War doch einer der Gründe für die Invasion die Umkrempelung der neuen kirchlichen Realität, für die Moskau Patriarchat und Kreml Bartholomaios I. verantwortlich machten.
„In jedem Fall wird die Russische Orthodoxe Kirche aus den Kriegsruinen in den Augen der Ökumene schwer beschädigt und beschadet hervorgehen. Der Mythus vom Dritten Rom ist zerronnen.“ Schon würden beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) Unterschriften für einen Ausschluss der Moskauer Orthodoxie gesammelt. „Patriarch Kyrill hat sich als getreuer Diener der revisionistischen Weltpolitik des Kreml erwiesen statt Oberhirte von den rund 300 Millionen Orthodoxen der Welt zu werden, als den ihn die russische Propaganda hinzustellen bemüht ist.“
Selbst wenn die russische Kirche mit Waffengewalt die Ukraine in ihr kirchliches Protektorat verwandeln könnte, würde ihr das nicht global möglich sein. Auf die Frage, ob sich der russische Patriarch überhaupt dem neozaristischen Imperialismus Putins entgegenstellen könnte, sei zu antworten: Er wolle es gar nicht, da er selbst von kirchlicher Großmannssucht beherrscht werde.
„Da hat wohl die Stunde für ein Vorpreschen des Ökumenischen Patriarchen geschlagen. Die Weltorthodoxie macht eine harte Prüfung durch und hat Inigungsinitiativen nötig!“