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Bergkarabach im Sturmgewitter

 

Foto: Imago

Ungleiches Ringen um Vormacht in Transkaukasien

Von Heinz Gstrein

Bergkarabach, auf deutsch „Schwarzer Garten im Gebirge“, ist in dieser zweiten Woche der aserbaidschanischen Großoffensive ein einziges Trümmerfeld. Pausenlos fallen Artillerie-Granaten, Bomben und zuletzt gezielt Raketen auf Städte und Dörfer der armenischen Felsenfestung. Der Hauptort Stepanakert liegt schon fast ganz in Trümmern, die Menschen suchen in den Krypten geborstener Kirchen und den Kellern der Ruinen Zuflucht. Aserbaidschan hat zwar nur die Fläche und Bevölkerungsstärke von Österreich, ist aber ein Riese im Vergleich zur nur viereinhalbtausend kmq großen und 140 000 Einwohner zählenden „Republik Arzach“. Ihre „Selbstverteidigungskräfte“ können knappe 23 000 Mann aufbringen, ihre Kampflinien sind fast nur mit Schützengräben befestigt. Sie werden stetig vom stehenden Heer der 70 000 Aserbaidschaner zurückgedrängt, zu dem täglich mehr von 300 000 mobilisierten Reservisten stoßen. Dazu kommen Luftunterstützung durch türkische Kampfbomber und tausende Freischärler, die Ankara aus dem von ihm besetzen Nordsyrien an die vorderste Karabach-Front geworfen hat. Das offizielle Armenien hingegen hält sich militärisch ebenso zurück wie es seit 1994 die Verwandlung von Bakus autonomem Armeniergebiet Karabach in eine selbsterklärte „Republik Arzach“ nie anerkannt hat.

Beobachter in Jerewan stellen sich aber zunehmend die Frage, ob Regierungschef Nikol Paschinjan diesen Nichteinmischungskurs durchhalten kann, wenn die Armenier von Karabach militärisch noch weiter ins Hintertreffen geraten. Nachdem er bereits von einer „Schicksalsstunde für das ganze armenische Volk“ gesprochen hat, wird es für ihn politisch immer schwerer, den bedrängten Verteidigern von Stepanakert nicht zu Hilfe zu kommen.

Dann sähe sich Armenien aber in der Zange zwischen Aserbaidschan und dessen Exklave Nachitschewan als Pfahl im eigenen Fleisch. Stalin hatte bei seiner Konstruktion des Gleichgewichts zwischen den beiden kaukasischen Sowjetrepubliken diesen jeweils Ableger der Gegenseite implantiert, Karabach und Nachitschewan. Dieses verhielt sich beim armenischen Unabhängigkeitskampf von Stepanakert in den frühen 1990er Jahren durchaus neutral, bot dem damaligen aus Baku vertriebenen aserbaidschanischen Führer Haidar Aliev sicheren Unterschlupf. Jetzt hat Aserbaidschan jedoch in Nachitschewan schwere Artillerie postiert, die Armenien hinterrücks unter Feuer nehmen könnte.

Der größte Unsicherheitsfaktor für die ganze Region ist jedoch, dass der kriegsfreudige Recep Tayyip Erdogan einem in Bergkarabach intervenierenden Armenien in den Rücken fallen dürfte. Transkaukasien war schon am Ende des Ersten Weltkriegs letzter militärischer Erfolg der Türken, als im Herbst 1918 ihre „Armee des Islam“ bis Baku vorrückte und dort die Armenier zu Zehntausenden abschlachtete. Nicht zufällig nennen sich schon jetzt die türkischen Söldner aus Syrien, die Erdogan dem Aliev-Sohn Ilham zur Verfügung stellt, wieder „Armee des Islam“. Ankara will im Kaukasus für seine Interessen reinen Tisch machen, ehe es sich in einer Position der Stärke zu mediterranen Fragen mit der EU an den Verhandlungstisch setzt.

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